Katharina Gruzei

Bodies of Work

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Die Fotoserie Bodies of Work ist in der Linzer Schiffswerft (ÖSWAG) entstanden. Über einen Zeitraum von zwei Monaten begleitete ich das Unternehmen fotografisch und dokumentierte unter anderem den Neubau einer Seefähre. Oft begann ich frühmorgens die Schicht mit den Arbeitern und folgte ihnen durch den Arbeitstag. Ich fotografierte nachts und am Wochenende, wenn die Hallen menschenleer waren und die Werft sich in ein Naturreservoir an der Donau verwandelte, in dem Matrosen wie auch Tiere einen Hafen finden. Beeindruckend ist die Sinnlichkeit des Ortes auch werktags, wenn der Lärm der Maschinen durch die große Halle verstärkt wird, Metallstaub in der Luft glitzert und sich der Geruch von heißem Metall breitmacht.

Wenn die Arbeitspausen durch die Betriebssirene eingeläutet und beendet wurden, verstärkte sich für mich der anachronistische Charakter des Ortes, der durch die Hand- arbeit am Schiff und die enge Verbindung von Mensch und Maschine entsteht. Doch die Werft erlaubte genauso einen Zeitsprung in die Zukunft, wenn der aus erhöhter Perspektive abgebildete Schiffsrumpf Assoziationen mit Science-Fiction-Raumschiffen weckte, deren Design sich stets an der fertigenden Industrie orientiert hat. Schweißer mutierten in ihrer Schutzkleidung zu Raumfahrern, deren Luftversorgung per Schlauch in den Helm gepumpt wird. Der Arbeiterköper ist es, an dem die stets aktuellen Dis- kurse um den Stellenwert und die Veränderung von Arbeit verhandelt werden können. Nicht zuletzt die Ähnlichkeit des technologisch hochgerüsteten Arbeiterkörpers mit dem Bild des Cyborgs stellt ethische Fragen in den Raum, die heute durch Migrations- ströme und die Abwanderung der Industrie in Billiglohnländer stärker denn je an das Thema der Arbeit geknüpft sind. Unter welchen Bedingungen wird gearbeitet oder Arbeit vergeben?

Gerade die Schutzkleidung der Arbeiter erinnert an die Verwundbarkeit des menschlichen Körpers und damit an die Fantasie, die Arbeit von Maschinen, Robotern und zukünftig von Cyborgs verrichten zu lassen. Die Körper der ausschließlich männlichen Arbeiter in den Werkshallen sind zum Schutz weitgehend verhüllt. So wirken die nackten Kalendernymphen inmitten der fliegenden Metallspäne und Funken geradezu unverwundbar – und somit ebenso überirdisch.

Katharina Gruzei

Ich bedanke mich herzlich bei Reinhard Suppan für seine Aufgeschlossenheit und die Möglichkeit, dieses Projekt in seinem Betrieb zu realisieren. Mein ganz besonderer Dank gebührt Franz Opolzer, der mich beim Fotografieren unterstützend begleitet hat und ohne den viele Bilder nicht entstanden wären. Außerdem geht mein Dank an Franz Biermeier für seine Unterstützung sowie die Einführung in den Betrieb und an alle, die ich fotografieren durfte.

 

Katharina Gruzei, geboren 1983 in Klagenfurt, lebt und arbeitet in Linz und Wien. Studium der Bildenden Kunst in der Klasse für Experimentelle Gestaltung und Studium der Kulturwissenschaft an der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz.

Gabriele Hofer-Hagenauer

Arbeit ist Kraft mal Weg, physikalisch gesehen, und Leistung wird definiert als Arbeit pro Zeiteinheit. Zwei Monate liegen zwischen den beiden Aufnahmen eines Schiffs- rumpfes, die für Katharina Gruzeis Fotoserie Bodies of Work gleichsam einen Anfangs- und Endpunkt darstellen. Die geleistete Arbeit, industriell wie handwerklich, liegt zwischen den Bildern, sinnlich erfahrbar gemacht durch die sichtbaren Veränderungen am Werkstück.

In der Linzer Schiffswerft[ref]Die Österreichische Schiffswerft AG (ÖSWAG), 1840 von Ignaz Maier gegründet, blickt auf eine wechselvolle, mehr als 170-jährige Geschichte zurück und ist heute die letzte Donauwerft in Österreich. Neben Umbau- und Reparaturarbeiten werden noch Neubauten von Binnensee-Fahrgastschiffen und Flussschiffen realisiert. Die ÖSWAG gliedert sich in die Werft und eine Firma für Maschinenbau.[/ref], wo die Serie entstanden ist, wird trotz hochtechnologisierter Fertigungsabläufe noch „richtig“ gearbeitet. Körpereinsatz, Schmutz, Staub, Schweiß, Späne: Hier hat die klinisch rein erscheinende, computergesteuerte Vollautomation noch nicht vollends Einzug gehalten; ein Aspekt, der für die Künstlerin von Beginn ihrer Werkkonzeption an von Bedeutung war. Bewusst wird im Titel auf zwei verschiedene Bedeutungsebenen angespielt: Bodies of Work will sich nicht nur im Sinne von Werk- komplex, Werkkorpus, Werkstück verstanden wissen, sondern auch als „Arbeitskörper“: Der menschliche – in diesem Fall ausschließlich männliche – Körper, der Arbeit verrichtet, eingebettet in ein industrielles Umfeld. Gruzeis Blick richtet sich dabei nicht nur auf die klassische (Größen-)Relation Mensch-Maschine. Sie rückt konkrete Arbeitssituationen ins Bild, lässt den menschlichen aber vielfach mit dem maschinellen, apparativen Körper verschmelzen, was an hybride Wesen, Cyborgs oder Astronauten erinnert. Gruzeis sensible Bildkonzeption lässt weder eine Verherrlichung der industriellen Technik, noch eine Heroisierung des arbeitenden Körpers zu. Ausgerüstet mit Arbeitsequipment, das der Sicherheit dient, wirken die arbeitenden Körper seltsam fragil, manchmal auch haltlos, zwischen überdimensionalen Maschinenteilen fast verloren.

Einem Geisterschiff gleich, verliert sich ein Flusskreuzer – für Reparaturarbeiten an Land gezogen – im herbstlichen Nebel, gespiegelt auf der sanft bewegten Wasserober- fläche der Donau. Geradezu strahlend, wie ein Hoffnungsschimmer, erscheint dieses Schiff im Eingangsbild der Fotostrecke, kontrastiert mit dem Dunkel der Werkshalle, die als architektonischer Rahmen fungiert. Die Halle, in den 1970er-Jahren errichtet, als der Schiffsbau noch florierte, wirkt porös und brüchig: ein Sinnbild der sich wandelnden industriellen Arbeitswelt und ihrer soziokulturellen wie gesellschaftspolitischen Aspekte.

 

Gabriele Hofer-Hagenauer ist Sammlungsleiterin für Fotografie und Kuratorin für moderne und zeitgenössische Kunst in der Landesgalerie Linz am Oberöster- reichischen Landesmuseum.