Simon Lehner

Koal. Ein Porträt des Alterns

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In den letzten vier Jahren und vor allem in den letzten paar Monaten fotografierte ich seinen Alltag im ländlichen Oberösterreich und bemerkte, wie wichtig es ist, gerade diese Zeit einzufangen. Früher war ich auf ihn angewiesen und nun wendet sich das Blatt langsam.

Den letzten Lebensabschnitt zu fotografieren, der Alter, Schwächen, Veränderungen und Vergesslichkeit bringt, zeigt nicht nur Zeit als solche und die Verbindung zu meinem Großvater, sondern auch etwas, was alle im Alter erwarten wird.

Danke, Opa!

Simon Lehner

 

Simon Lehner, geboren 1996 in Wels, studierte an der Kunstuniversität Linz und seit 2015 studiert er Angewandte Fotografie und zeitbasierte Medien an der Universität für angewandte Kunst Wien.
www.simon-lehner.com 

Jasmin Haselsteiner-Scharner

In Zeiten von Migration und der ständig geschürten Angst vor angeblicher „Über- fremdung“ spürt man den massiven Wunsch vieler, sich wieder intensiver mit den eigenen Wurzeln und einem individuellen Verständnis von Heimat auseinanderzusetzen. Dieses Phänomen ist in den letzten Jahren in Österreich verstärkt zu beobachten und manifestiert sich neben seiner missbräuchlichen Instrumentalisierung auf politischem Gebiet häufig auch im kulturellen Kontext. Ausstellungsprojekte, Publikationen und wissenschaftliche Diskurse nähern sich diesem Thema auf vielfältige Weise. Fotografen wie Paul Kranzler (Landjugend 2004, Brut 2010) oder Fotografinnen wie Gerlinde Miesenböck (Land_sterben 2007–10, Das Erbe 2008–10) befassen sich in ihren Arbeiten mit speziellen Phänomenen ihrer (oberösterreichischen) Heimat mittels einer Unter- suchung ihres persönlichen Umfelds.

Die Beschäftigung mit der eigenen Herkunft und Umgebung spielt auch in den Arbeiten des erst 20-jährigen oberösterreichischen Fotografen Simon Lehner eine wesentliche Rolle. In seiner ersten Monografie mit dem Titel Jaga, die im Frühjahr 2017 in der Fotohof edition erscheint, untersucht er die in Österreich weit verbreitete Jagd als soziales und kulturelles Phänomen. Er skizziert anhand dokumentarisch angelegter Fotografien ein Stimmungsbild, das Jagdrituale ebenso eindrücklich zeigt wie das erlegte Beutewild oder manch sonderbare Trophäensammlung.

In der zuletzt entstandenen Arbeit fokussiert Lehner auf sein unmittelbares familiäres Umfeld. Dabei ist für den in schwierigen Familienverhältnissen aufgewachsenen Fotografen der Großvater „Koal“ die zentrale männliche Bezugspersonen. Lehner dokumentiert in dieser Serie den Helden seiner Kindheit, der ihn stets liebe- und verständnisvoll begleitet und ihm wesentliche Dinge des Lebens beigebracht hat. Das einfühlsame fotografische Porträt seines Ersatzvaters ist dessen ritualisiertem Tagesablauf nachempfunden. Gewöhnliche Tätigkeiten wie der obligate Waldspazier- gang, die nahezu tägliche Autowäsche oder das Versorgen der Großmutter werden so mit Bedeutung aufgeladen. Selbst skurrile oder befremdlich erscheinende Dinge werden genau geschildert und fügen sich zu einem Gesamtbild eines materiell sorgenfreien Rentneralltags am Land in Oberösterreich.

Simon Lehner erzählt in seinen sich zu größeren Geschichten formierenden Einzelbildern von einer aktuellen sozialen Wirklichkeit wie auch von Kindheitserinnerungen, die in Form von Fotos, Filmprojektionen und Videoausschnitten aufscheinen und die intensive Beziehung zum Großvater spürbar machen. Seine fotografische Methode zeichnet sich durch eine leichtfüßige Unmittelbarkeit aus, wenn er beherzt den „entscheidenden Moment“ nützt, in dem er den Augenblick zum eindrücklichen gültigen Bild formt.

 

Jasmin Haselsteiner-Scharner studierte Kunstgeschichte in Graz, Venedig und
New York und ist spezialisiert auf Fotografie. An der Landesgalerie Linz als Kuratorin und Sammlungsleiterin für Fotografie zuständig. Als freie Lektorin, Kuratorin und Autorin tätig. Veröffentlichungen in diversen Publikationen über historische und zeitgenössische Fotografie.