Heidi Harsieber

Sport

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In meiner ersten Serie Sportfotos (2004–2009) fokussierte ich auf atmosphärisch interessante, ästhetische und erotische Details, weniger auf herausragende sportliche Leistungen. Diesen meinen Blick auf die Welt des Sports habe ich für ÖsterreichBilder wieder eingesetzt. Besonders interessiert mich die Leidenschaft, mit der Sportler und Sportlerinnen ihren Körper und ihren Verstand einsetzen, und auch die Leidenschaft ihrer Fans, die physisch mitzufühlen imstande sind.

Heidi Harsieber

 

Heidi Harsieber, geboren 1948 in Gloggnitz, absolvierte eine Fotografenlehre und besuchte die Meisterklasse Fotografie an der Höheren Graphischen Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt in Wien. Sie lebt und arbeitet in Wien und Gloggnitz.

Astrid Peterle

Die Sportbegeisterung der Österreicherinnen und Österreicher ist sicherlich kein Alleinstellungsmerkmal. Wie in jedem Land der Welt gibt es hier Sportarten, die von außen als identitätsstiftend wahrgenommen und intern mit besonderer Liebe zelebriert werden. Österreich wird herkömmlich mit Wintersportarten, vor allem den alpinen, assoziiert. Heidi Harsiebers Blick auf den Sport in Österreich wendet sich jedoch neben einigen Massen- vor allem medial weniger beachteten Sportarten zu, denn ihr Interesse gilt im Allgemeinen nicht dem, was tausendmal schon gesehen wurde. Ihre Bilder von Veranstaltungen, Trainings und Freizeitsportaktivitäten sind Zeugnisse unkonventioneller Blickwinkel auf beliebte Sportdisziplinen wie Fußball, Eishockey und Tennis, aber auch auf sogenannte Randsportarten wie Bogenschießen, denen Harsieber mit einer eben- solchen Faszination begegnet wie Großereignissen im Wiener Ernst-Happel-Stadion. Die Neugierde der Fotografin auf die Sinnlichkeit der bewegten Körper wie auf die emotionalen, intersubjektiven Stimmungen von Zuschauerinnen und Zuschauern zeigt sich in den konsequent untypischen Perspektiven, in der Ruhe und Konzentriertheit, mit der sie die dynamischen Situationen in einem ausschließlich analogen Verfahren auf Film bannt. Harsieber sucht im Sport nicht, wie gemeinhin üblich, nur Meister- leistungen und Virtuosität, sondern interessiert sich vor allem für die Leidenschaft der Akteurinnen und Akteure, für das Unerwartete und Unkalkulierbare, die Nebeneffekte und -erscheinungen, aber auch für Momente des Scheiterns. So mischt sich in das Eishockeyspiel der Moment des schmerzlichen Abtritts von der Bühne nach einer Verletzung. Nicht majestätisch im Wasser schwebende Taucher stehen im Fokus eines weiteren Fotos, sondern deren beschwerlicher Ausstieg aus dem Wasser ans Ufer. Tennis wird in Harsiebers Bildern zu einer Choreografie zwischen Rastern und Kästchen – während das Publikum still und starr in seinem Tribünenkasten eingesperrt sitzt, knien die Balljungen vor den sich verausgabenden Spielerinnen. Bogenschießen wird plötz- lich als Strategiespiel erkennbar und Kajak- und Kanufahrer werden zu Bezwingern der heimischen Gewässer. In der Wiener Krieau macht das Ballett der Baukräne den geschmeidigen Pferden Konkurrenz. In der Gegenüberstellung von Golfspiel und Volleyball prallen gesellschaftliche Kontraste aufeinander: Während die Spieler auf dem ältesten Golfplatz Österreichs am Semmering in ihrer exklusiven Abgeschiedenheit von der Fotografin nicht gestört werden möchten, nähert sich diese im öffentlichen Raum in Wien dem Volleyballspiel nepalesischer Frauen, die von ihren Männern beobachtet werden. Das Interesse und sensible Gespür der Fotografin für psychische Dynamiken in menschlichen Zusammenkünften werden besonders in den beiden Fußball-Doppelseiten sichtbar: Sie zeigen die Masseneuphorie und den tiefen Gefühlsfall der Fans nach einer Niederlage während eines Public Viewings ebenso wie den heutzutage allgegenwärtigen Kontroll- und Sicherheitsaspekt bei Großveranstaltungen. Dem häufig nur während der Paralympics beachteten Behindertensport zollt die Fotografin Respekt und gibt ihm zugleich im Zeitalter des medialen Voyeurismus ein Stück Normalität zurück, indem auf einem der Fotos nichts auf eine körperliche Einschränkung der Sportlerin hinweist.

Heidi Harsiebers Fotografie zeichnet eine neugierige, sinnliche und psychologisch motivierte Annäherung an Menschen aus. Die Fotografin tritt denjenigen, die sie abbildet, mit großer Zärtlichkeit entgegen, was die Abgebildeten auch spüren.
So gelingt es ihr, das Vertrauen von Menschen aus unterschiedlichsten sozialen Kontexten, wie sie auch in der Vielfalt der Sportarten anzutreffen sind, zu gewinnen. Heidi Harsiebers Fotografien geben dem österreichischen Sport ein neues Gesicht, weil sie genau auf das schauen, was wir für gewöhnlich übersehen.

 

Astrid Peterle, geboren 1981 in Klagenfurt, ist Kuratorin im Jüdischen Museum Wien; zahlreiche Publikationen zu Fotografie, Performancekunst, Choreografie sowie feministischer und queerer Kunst.