Stefanie Moshammer
Therese
Der Name Therese ist mein zweiter Vorname. Stefanie Therese Moshammer.
Ich weiß nicht genau, warum sich meine Eltern entschieden, mir diesen Namen zu geben. Ich habe mich nie wirklich mit ihm verbunden gefühlt und niemand nennt mich Therese. Dennoch ist er ein Teil von mir, auch in meinen Reisedokumenten. Ein stiller Begleiter. Ich finde, es ist ein schöner Name, ich mag ihn, obwohl er an der Oberfläche bleibt.
Therese ist eine Serie von Bildern, aufgenommen in meiner Heimat Österreich.
Es geht in dieser Arbeit nicht so sehr um das Land selbst, es ist vielmehr die Erforschung einer Gemütsverfassung, dargestellt durch Symbole, Landschaft und Identität.
Für mich bedeutet Österreich brutale Behaglichkeit, welche die Unschuld der Vergangenheit in sich trägt.
Das Vergangene ist ein melancholischer Begleiter der Gegenwart. Das Bestehende ein gefiltertes Erscheinunsgbild.
Stefanie Moshammer
Stefanie Moshammer, geboren 1988 in Wien; Bachelorabschluss in Grafikdesign und Fotografie der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz.
Sie studierte Advanced Visual Storytelling an der Danish School of Media and Journalism in Aarhus. Im Jahr 2016 wurde sie als eines der Foam-Talente ausgewählt. Lebt und arbeitet in Wien.
www.stefaniemoshammer.com
Es ist ein Wunderland der ganz eigenen Art, das man mit Therese auf den Spuren des weißen Hasen betritt. Ein rätselhafter und widersprüchlicher Ort von melancholischer Schönheit, unwahrscheinlich wie ein fünfblättriges Kleeblatt, das Glück verspricht – hier als Zeichnung auf der Hand am Schießbudengewehr, daneben gestochen ein „S“. „S“ wie Stefanie.
Stefanie Moshammers Faible für Mythen und Heterotopien, das sie nach Las Vegas führte, Stadt des Scheins und Projektionsfläche der Träume, und in das urbane Dickicht von Rio de Janeiro, Metropole extremer Gegensätze, schält Sagenhaftes selbst im Vertrauten heraus und zelebriert den Exotismus des Eigenen. So ist es in Wien nicht von ungefähr der Prater, legendärer Kosmos massentauglichen Vergnügens, dessen Nostalgiekitsch sie ihre persönlichen Bilder entgegenstellt. Bekannte Wahrzeichen und typisches Treiben sucht man in ihnen vergebens, stattdessen spiegeln sich Tristesse und Verheißung im silbernen Dekor der geschlossenen Bude, ist die Sicht verstellt durch einen Bauzaun und gleichzeitig freigegeben in den blauen Himmel – dank eines hufeisenförmigen Risses im Gewebe.
Diverse Brüche durchziehen Moshammers Bestandsaufnahme ihrer Heimat, die sie als „brutale Komfortzone“ begreift. Die Ambivalenz dieses Gemütszustands findet ihren Ausdruck in warmen Farben und überraschend ruhigen Bildern, die bisweilen buch- stäblich kippen. Romantische Ansichten des Wienerwalds werden dadurch ebenso gestört wie die Gewissheit von oben und unten. Wo in der fotografischen Arretierung und radikalem Ausschnitt Stein förmlich zu fließen beginnt, wird ein kahler Baum vor wohligen Reflexionen zum markanten Schattenriss. Ein Sonnenstrahl erscheint als Blitz, der das moosig-feuchte Unterholz zerteilt. Narben und Tattoos, zumal im Gesicht, signalisieren Spuren der Zeit, sind Zeichen folgenreichen Zufalls oder schicksalhafter Fügung, zeugen von Selbstbestimmung und -bewusstsein. Der zweifache, verschobene Blick auf ramponierte und verkleidete Fassaden ist ästhetische Geste der Vergewisserung, des Ausfindigmachens und Infragestellens.
Zunächst im Mantel der Fiktion legt der Titel der Serie nahe, dass es dabei um nicht weniger als die Suche nach der eigenen Identität geht. Therese, der zweite Name der Fotografin, eingebettet, prägend, nicht verwendet, nah und fremd zugleich, kann als symbolisch für den Zwiespalt im Verhältnis zur eigenen Stadt gelesen werden, die Moshammer mit ihrem charakteristischen Gespür für Narration und Formenspiel in intensive Bilder fasst – darunter ernst und schillernd ihr Porträt im Reisepass, dessen Muster als Covermotiv zur abstrakten Landkarte mutiert. In ihr steht der Name schwarz auf weiß, zweifelsfrei und unumgänglich. Schwarz auf weiß wie der zweite Hase im Schnee. Der stirbt nicht wegen der List des Igels an Erschöpfung, sondern war selbst immer schon da, bestimmt zum Schlachtvieh in Windhaag bei Freistadt. Diametral entgegengesetzt und dennoch aufeinander bezogen, still und bewegend, umschließen die beiden totgeweihten Tiere Moshammers ÖsterreichBilder wie Yin und Yang.
Rebekka Reuter, geboren 1979, ist Kulturwissenschaftlerin mit Schwerpunkt Fotografie und Chefkuratorin des Fotomuseum WestLicht und der Fotogalerie OstLicht in Wien.