Andrew Phelps
Über Land
Immer wieder, zwischen all meinen Projekten, komme ich zurück in diese Landschaft und zu den Menschen, die sich dort aufhalten.
Die Alpen sind ein Kulturgut. Wie damit umgegangen wird, spiegelt unsere Gesellschaft, unseren Drang zu einem Naturerlebnis in Zeiten wider, in denen der Begriff „Wildnis“ immer fremder wird.
Von Vorarlberg bis Wien besuchte ich Orte, an denen Menschen unseren Naturraum nutzen, genießen, verändern und definieren.
Andrew Phelps
Andrew Phelps, geboren 1967 in Mesa, Arizona. Lebt und arbeitet in Salzburg.
www.andrew-phelps.com
Wollte man das Gesellschaftsphänomen, das Andrew Phelps seit Jahren beobachtet, verschlagworten, wäre einer der Begriffe sicher „Naturerlebnissportarten“. Diese erfindungsreiche und entsprechend florierende Freizeitindustrie umfasst traditionelle Arten des sportlichen Naturerlebnisses wie Baden und Bootfahren, Skifahren und Surfen, aber auch aufwendige Extremsportarten wie Klettern, Paragleiten oder Bungee-Jumping, die Natur mit Action zusammenspannen.
Für Phelps, der in den 1970er- und 80er-Jahren in Arizona aufgewachsen ist, stand das Leben in der Natur, das Wandern und Nächtigen in der Wildnis oder Rafting im Grand Canyon noch in keinem Zusammenhang mit einem so gearteten Freizeittourismus. Entsprechend fällt ihm die Künstlichkeit solch kalkulierter und mittlerweile in Action- camps wie dem Area 47 gebündelter Aktivitäten auf, in welchen Sport und Natur als „Erlebnistourismus im Package“, in nach Alter und Können gestaffelten Touren und in angemessener Balance von Nervenkitzel und Sicherheit angeboten werden.
Dem Versprechen, sich die vielfältigen Möglichkeiten der Fortbewegung in der Natur zu erschließen, stehen die unzähligen Instrumente und Geräte gegenüber, die Aus- rüstungen und Sicherheitsmaßnahmen, Nächtigungs- und Verpflegungsstationen, die es braucht, um sich auf der Suche nach dem ultimativen Kick möglichst komfortabel durch die Natur zu bewegen. Symptomatisch für diese Naturerlebnissportarten sind die Action-Cams, die sich Adventure oder Hero nennen und die diese Sportarten, bei denen man keine Hand frei hat, in den letzten Jahren auch bildmäßig erschlossen haben. Im Sinne des Selfies und des „I did it“ stehen sie für Spaß, Action und Mut und für Aufnahmen aus der unmittelbaren Sicht der Akteurin oder des Akteurs.
Phelps Aufnahmen hingegen sind weder weitwinkelige Action-Cam-Shots, die den Sportler-Fotografen immer mit im Bild haben, noch atemberaubende Sportreporter- fotos, sondern nehmen eine kritische Distanz zu dieser Art der Freizeitgestaltung ein. Phelps verfolgt sie mit einem kulturellen Interesse: Wie manifestiert sich dieses Gesell- schaftsphänomen und wohin geht die Entwicklung? 2016 zwischen Vorarlberg und Wien entstanden, rahmen weite Landschaften oft Details der (Natur-)Erschließung. Der Schriftzug „Hoamat“ hoch über Kitzbühel suggeriert Vertrautheit mit der Natur, aber die sportlichen Leistungen, wie jene des Surfers am Almkanal, kommen nicht als Decisive Moments von Höchstleitungen ins Bild, sondern in Form von „normalen“ Momenten, die schließlich einen überwiegenden Teil der Ereignisse ausmachen. Ein Gefühl, das sich beim Betrachten dieser Bilder einstellt, ist der Zwiespalt, er kennzeichnet auch die Aufnahmen der präparierten Pisten vor dem unberührten Gebirge oder des Bergpanoramas bei Stuben, die es den Betrachterinnen und Betrachtern überlassen, ob sie darin den romantischen Skiort oder die Lichtverschmutzung und deren negative Folgen für die Natur erkennen.
Die Frage nach der Authentizität von Naturerlebnis hat Phelps schon 2004 in Nature de luxe gestellt, als er sich mit der Campingkultur im alpinen Raum, einer anderen Form des organisierten und vorgefertigten Naturerlebnisses, beschäftigte. Damals wie heute ist sein Blick darauf gerichtet, wie die Menschen die Natur gebrauchen, sie zähmen und sich erschließen, und inwieweit die Fotografie der Natur beziehungsweise dem Erlebten gerecht werden kann.
Ruth Horak, geboren 1972 in Graz, ist Kunstkritikerin und Kuratorin. Lebt und arbeitet in Wien.